Oberleitung für die Spur II Anlage im Tram-Museum Hannover

Im Winter 2021/22 haben wir im Hannoverschen Tram Museum (HSM) die Anlage auf neuen Flächen um ca. 50 m Dreischienengleis in Spur II und IIm erweitert. Der Großteil dieser Erweiterung bestand aus uns überlassenen transportablen Modulen, die sehr modern mit Betonschwellen gestaltet sind. Diese mobil auf Veranstaltungen eingesetzten Teile waren ohne Oberleitung realisiert worden. Nach Gruppenbeschluss wurde eine moderne Oberleitung mit Hochkette gewünscht, die ich realisieren wollte.

Das Original

Als Hannoveraner nahm ich mir die Oberleitung der ÜSTRA zum Vorbild. Sie ist überwiegend mit H-Profilmasten realisiert, die oben durch einen aufgeschweißten runden Deckel abgeschlossen sind. Die Ausleger bestehen aus GFK Rohren, sodass an den Masten keine zusätzlichen Isolatoren benötigt werden. Dies vereinfacht die Nachbildung im Modell erheblich. Das Foto zeigt einen Mast an einer Rampe. Die äußere Verbindung der beiden horizontalen Ausleger muss dabei als Stab ausgeführt werden, damit der Fahrdraht den unteren Ausleger nicht hoch drücken kann. Auf ebenen Strecken kann der Stab durch ein Seil ersetzt werden, weil dort überwiegend die Schwerkraft alles nach unten zieht. Ich fertige nur die Seilausführung.

H-Profilmast der ÜSTRA Straßenbahn in Hannover

H-Profilmast der ÜSTRA Straßenbahn in Hannover

Bei mir beginnen die meisten Basteleien im CAD. So kann man ohne Materialaufwand Proportionen beurteilen und Varianten vergleichen. Da ich 50 m Strecke vor mir hatte/habe, sollte es eine "preiswerte" und "schnell" zu realisierende Konstruktion werden. Soviel vorab, ich benötige nun immer noch mehrere Stunden pro Mast ...

H-Profilmast der ÜSTRA Straßenbahn in Hannover<br>vereinfachtes CAD Modell

H-Profilmast der ÜSTRA Straßenbahn in Hannover
vereinfachtes CAD Modell

Der Mast

In der freien Wildbahn bei der ÜSTRA weisen die Mastprofile die unterschiedlichsten Querschnittmaße auf. Je nachdem ob es sich um einen einfachen Streckenmast, einen Abspannmast oder eine zentralen Mast einer Kurve handel, werden sie kräftiger oder schlanker verbaut. Das gab mir die Freiheit, nach handelsüblichen Aluprofilen zu suchen - leider ohne Erfolg. Im Baumarkt fand ich schließlich H-Profile in zwei Größen, die von der Breite her passten und lediglich zu lange Schenkel aufwiesen. Also baute ich mir einen 430 mm langen "Schraubstock", mit dem ich das Profil beim Fräsen mittig "packen" kann. Das funktioniert sehr gut. Das Bild zeigt noch das Fräsen auf meiner "großen" Fräse. Mittlerweile mache ich das auf der Käsefräse, auf der ich zusätzlich noch eine bessere Klemmvorrichtung realisiert habe.

Masstäbliche Mastbreite aus handelsüblichem H-Profil fräsen

Masstäbliche Mastbreite aus handelsüblichem H-Profil fräsen

Immer wenn mal Zeit ist, fräse ich 1-2 Masten.

Vorrat an Straßenbahnmasten zwischengelagert

Vorrat an Straßenbahnmasten zwischengelagert

Gegenüber den handelsüblichen LGB Oberleitungsprofilen benötigt ein filigraner Fahrdraht eine gewisse Vorspannung. Diese wirkt in auch auf die Masten, weshalb ich einen Einstellbaren Mastfuß realisierte. Am Aufstellungsort bohrt man ein Loch mit Mastdurchmesser. Der dort hineingesteckte Mast erhält in Bodenhöhe eine 2 mm Bohrung, durch die ein Stahlstift geschoben wird. Der Mast kann nun nicht mehr nach unten durchrutschen, aber noch in alle Richtungen hin und her pendeln.

Straßenbahnmasfuß mit 3 Justageschrauben

Straßenbahnmasfuß mit 3 Justageschrauben

Die Ausrichtung und Fixierung des Masts erfolgt anschließend über eine Dreibeinkonstruktion von der Anlagenunterseite. Es handelt sich dabei um eine materialoptimierte, gesteckte Laserkonstruktion aus 3 mm MDF. Sie ist so aufgebaut, dass alle Kräfte auch ohne Leim über die Nuten abgefangen würden. Für die 5 Stellschrauben sind in das MDF 5 Muttern eingepresst.

Laserzeichnung für Straßenbahnmasfuß aus 3 mm MDF

Laserzeichnung für Straßenbahnmasfuß aus 3 mm MDF

Hat man den Mastfuß von unten auf den Mast geschoben, fixiert man ihn über die 2 mittleren Klemmschrauben. Alternativ kann vor Ort auch ein Passstiftloch gebohrt werden, durch das man analog zur Oberseite einen Stahlstift steckt.

Mit den drei über die Dreiecksplatte gehaltenen Schrauben kann abschließend der Mast exakt ausgerichtet werden. Verbiegt er sich später durch die Fahrleitungslast, kann hier jederzeit nachreguliert werden. Eine Wasserwaage am Mast hilft dabei. Die M3 Schrauben genügen zur Lastaufnahme völlig, nur bohren sie sich unangenehm in das Holz der Anlagenunterseite. Abhilfe schafft hier eine weitere Dreiecksplatte, auf die 1 Pf Münzen als "Gegenlager" geklebt werden - preiswertere Metallscheiben gibt es wohl nicht!

Straßenbahnmasfuß mit 3 Justageschrauben

Straßenbahnmasfuß mit 3 Justageschrauben

Damit der neue Anlagenteil wenigstens ein bischen nach Straßenbahn aussah und ich gleichzeitig meinen Mastfuß testen konnte, hatte ich in der Saison 2022 schon mal die rohen Masten aufgestellt

Probeaufbau mit rohen Masten ohne Ausleger

Probeaufbau mit rohen Masten ohne Ausleger

Der Mastausleger

Für die Mastausleger habe ich zwei unterschiedliche Drahtdurchmesser vorgesehen, die ich im Baumarkt gefunden habe. Um sie von der Rolle kommend zu begradigen, spendierte ich meiner Schienenbiegevorrichtung drei Rollen mit Prisma. Das funktioniert sehr gut.

Richten des 3 mm Eisendraht für den Mastausleger der Straßenbahnoberleitung

Richten des 3 mm Eisendraht für den Mastausleger der Straßenbahnoberleitung

Die Ausleger benötige ich in verschiedenen Längen. Zusätzlich muss der Fahrdraht mal zum Mast hin, und mal nach außen gezogen werden. Wie immer erstellte ich dafür Vorrichtungen bzw. Klebe- und Biegelehren. Außen (links im Bild) werden die Ausleger im Maschinenschraubstock flach gedrückt. In diese Fläche kommt das Loch für das Verbindungsseil zwischen oberem und unterem Ausleger.

Biegelehre für die Mastausleger der Straßenbahnoberleitung

Biegelehre für die Mastausleger der Straßenbahnoberleitung

Als Verbindungstechnik habe ich Löten und Punktschweißen getestet. Gegen Löten sprach die Oberflächenverzinkung. Das Punktschweißen verformte das Material prinzipbedingt in unschöner Weise. Aber warum leben wir im Zeitalter des Klipsens und Klebens! Rohrstummel und halbierte Seilklemmen wurden mit der Kombizange an die Verbindungsstelle angeformt. Ein Tropfen Zykobond AN3762 erledigt den Rest. Diese Verbindung kann man im montierten Zustand auf der Anlage leicht mit einem Feuerzeug lösen, um die Position des Fahrdrahttragarms ein paar mm zu verändern. Hinterher wieder ein Tropfen Kleber drauf und es kann weiter gefahren werden.

Kleinteile zur Verbindung der Mastauslegerstreben

Kleinteile zur Verbindung der Mastauslegerstreben

Die Ausleger habe ich vor dem Lackieren der Masten montiert, um Beschädigungen der Farbe vorzubeugen. Am oberen Ausleger kann man sehr gut den harten Stahldraht erkennen, der durch die Bohrung in der gedrückten Fläche und dann durch zwei Bohrungen im Mast nach innen geführt ist. Dort muss er mit viel Kraft scharf um 90° nach außen gebogen und kurz abgeschnitten werden. Der Ausleger kann so noch nach links und rechts pendeln, aber nicht mehr heraus rutschen. Diese Fügemethode hat sich sehr bewährt. Der untere Ausleger ist in gleicher weise durch die "Armbeuge" mit dem Mast verbunden. Damit die Ausleger beim Spritzlackieren nicht hin und her pendeln, habe ich dort provisorisch einen Tropfen Heißkleber aufgetragen, der später leicht "abzupulen" ist.

Fertig montierte Mastausleger der Straßenbahnoberleitung

Fertig montierte Mastausleger der Straßenbahnoberleitung

Die Oberleitungs-Hochkette

Nach diversen Überlegungen und Tests habe ich mich für eine Hochkette aus 1 mm starkem VA-Schweißdraht entschieden. Diesen erhält man zu akzeptablen Preisen als "absolut" geraden 1 m Enden. Für das Punktscheißen bringt der "überlegierte" Schweißdraht ideale Materialeigenschaften mit. Ich benötigte diverse Versuche, bis eine passende Schweißeinstellung (Strom und Dauer) und die richtige Elektrodenform gefunden war. Dieser Prozess steht nun aber zuverlässig.

Für erste Tests genügte eine Pappvorrichtung. An den Schweißstellen wurde ein Loch in die 2 mm Graupappe geschlagen. Die Drähte wurden kreuzweise mit Tesakrepp fixiert und anschließend alles von innen nach außen ausgepunktet.

Prototypische Punktschweißvorrichtung für die Straßenbahnoberleitung

Prototypische Punktschweißvorrichtung für die Straßenbahnoberleitung

Für die "Massenproduktion" entstanden wieder Vorrichtungen aus MDF. Die Drahtlage ist so in die Oberfläche gelasert, dass der 1 mm Draht hier sicher einrastet. Federbleche halten ihn von oben in Position. Die an die Federbleche gekanteten Einführschrägen ermöglichen die Montage und Demontage des Drahts ohne Werkzeug. Bisher genügten die Längen 710 mm, 610 mm und 530 mm. Die waagerechten Drähte werden etwas länger gelassen, sodass sie vor Ort in passender Länge zu einem liegenden U als Haken umgebogen werden können.

Fertig aufgebaute Straßenbahnoberleitung

Fertig aufgebaute Straßenbahnoberleitung

Nach dem ein Stück Hochkette verschweißt wurde, folgt die Fleißaufgabe des Versäuberns der Schweißpunkte. Zuerst wollte ich das am Schleifbock erledigen. Nach dem kurzen Abknipsen mit der Zange geht es aber viel besser mit einer feinen Feile und anschließend noch feinerem Sandpapier.

Fertig aufgebaute Straßenbahnoberleitung

Fertig aufgebaute Straßenbahnoberleitung

Wenn alles steht, werden die Ausleger in ihrer undefinierten GFK-Farbe lackiert und der Fahrdraht per Schwämmchen schwarz mattiert.

Fertig aufgebaute Straßenbahnoberleitung

Fertig aufgebaute Straßenbahnoberleitung

Kurvenführung der Oberleitung

Das Waterloo jeder Oberleitung an der auch mit angelegtem Schleifer zuverläsig gefahren werden soll, sind wohl Kurven und Weichen. Glücklicherweise ist man bei Straßenbahnmodellen im Gleisradius sehr viel dichter am Original als bei anderen Modellbahnen. Diese 90° Kurve in LGB R2 galt es mit Fahrdraht zu überspannen. Mit einer Papierschablone hatte ich Anzahl und Position der Masten vorgeplant und entsprechende Hochkettenstücke abgepunktet.

Festlegung der Mastposition für die Straßenbahnoberleitung in der Kurve

Festlegung der Mastposition für die Straßenbahnoberleitung in der Kurve

Die Kurve sollte wie im Original ohne Ausleger, nur durch ihre äußere Abspannung getragen werden. Nach diversen Versuchen haben sich derart gebogene Haken als geeignet erwiesen. Sie werden mit dünnem Bindedraht zu den Masten abgespannt. Dies ermöglicht eine sehr feine Justage der Fahrdrahtlage.

Prototyp für den Seilabzug in der Kurve der Straßenbahnoberleitung

Prototyp für den Seilabzug in der Kurve der Straßenbahnoberleitung

Ja, bei der ÜSTRA wäre man wohl mit weniger Masten ausgekommen, indem man zusätzliche Spanndrähte eingebaut hätte - naja, ich habe ja noch ein paar Kurven zu machen - schauen wir mal ...

Um diesen Draht richtig zu "knipsen", müsste ich mir wohl mal etwas mehr Mühe geben. Öffentlich anschauen kann man sich das im HSM zu den im HSM Terminkalender gekennzeichneten Öffnungszeiten - dieses Jahr noch am 21. Juli 2024, 1. September 2024 und 29. September 2024;

wobei vom 30.08 bis zum 01.09.24 nach Voranmeldung jeder mit seinen 1:22,5 Straßenbahnmodellen zu unserem internen "großen Treffen" herzlich willkommen ist.

Fertiggestellte Oberleitung in der 90° Kurve mit Radius R2

Fertiggestellte Oberleitung in der 90° Kurve mit Radius R2

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